Bypass: «Wir brauchen den Pioniergeist der Gotthard-Ingenieure!»

  • 10. Mai 2021
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Bypass: «Wir brauchen den Pioniergeist der Gotthard-Ingenieure!»

Bypass: «Wir brauchen den Pioniergeist der Gotthard-Ingenieure!»

10. Mai 2021
News-Letter der Gemeinde Kriens

Im Krienser Einwohnerrat war der Bypass im April Thema. Im Gegensatz zu anderen Themen herrschte hier einmal mehr historische Geschlossenheit. Mehr als einmal wurde auch die Frage gestellt: Ist die Vision «Chance Bypass» denn auch mehr als ein Fantasiegebilde?

Die Autobahn in Kriens – offen durch dicht besiedeltes Gebiet. Kriens will den Bypass-Bau unterstützen, wenn die CHance genutzt wird, hier eine Stadtreparatur zu prüfen.

Wie erklären Sie sich diese historische Geschlossenheit des Krienser Stadtparlamentes?

Jesús Turiño: «Die Krienser Politik hat bereits vor einigen Jahren realisiert, welches Mammutprojekt da gebaut wird. Es entstand ein Allparteien-Komitee, das aktiv wurde und das inzwischen zu einer richtigen Bürgerbewegung anwächst. Alle diese Menschen setzen sich nicht gegen den Bypass, sondern für die Vision ‘Chance Bypass’ mit einer Überdachung des neu 70 Meter breiten Autobahnkorridors ein.»

Und das nützt etwas?

Thomas Kieliger: «Sehen Sie: Gebaut werden Autobahnen von Ingenieuren und Technikern. Verantwortet aber werden sie von der Politik. Ich mute da inzwischen beiden Seiten zu, dass sie die nötige Sensibilität haben, um zu wissen, dass ein Projekt gegen den expliziten Willen der Bevölkerung kaum umzusetzen ist. In Biel wurde ein Projekt aufgrund des Widerstandes der Bevölkerung zurückgezogen. Soweit braucht man in Kriens gar nicht zu gehen. Kriens hat ja bereits einen konstruktiven Lösungsansatz aufgezeigt.»

Sie reden von der «Einhausung», also ein Dach über der Autobahn. Wie realistisch ist so etwas?

Thomas Kieliger: «In der Grundidee absolut realistisch, das zeigen sehr viele Projekte. Weiningen, Schwamendingen oder Airolo sind nur einige wenige Beispiele. Wer auf Autobahnen in der Schweiz unterwegs ist und sich achtet, wird schnell sehen, dass an deutlich weniger dicht besiedelten Stellen als hier im Krienser Nidfeld Überdachungen bestehen. Der Autobahnbau braucht in der Schweiz eine neue Perspektive der Betrachtung. Mobilität – ob regional oder international – ist heute wichtig. Vielleicht sogar wichtiger denn je. Aber wenn man die dafür nötige Infrastruktur baut oder erweitert, müssen auch die Anliegen der dort lebenden Menschen ernst genommen werden.»

Warum ist das so?

Jesús Turiño: «Weil man inzwischen merkt, dass sich die Zeiten geändert haben. Wenn in Kriens vor 70 Jahren eine Autobahn durch grüne Weiden gebaut wurde, ist das aus historischer Sicht ja ok – auch wenn Kriens dem Projekt schon damals kritisch gegenüberstand. Inzwischen ist die Autobahn hier ein Fakt – aber die alte Wunde ist geblieben, obwohl sich das Siedlungsgebiet inzwischen massiv verdichtet hat und neu neben der Autobahn über 10’000 Wohn- und Arbeitsplätze entstehen. Mit der Einhausung bietet sich die Chance, mit dem Bypass den Agglomerationsraum Luzern-Süd städtebaulich zu reparieren. Oben Stadtpark – unten Autobahn.»

Eben nicht, sagen Ingenieure des Bundes. Das sei technisch kaum möglich, und sicher viel zu teuer.

Thomas Kieliger: «Aus meiner Sicht sollte die Einhausung nicht nur technisch, sondern auch aus städtebaulicher und freiräumlicher Sicht vertieft geprüft werden Hier geht es um Stadtreparatur bzw. um das Heilen von Wunden aus der Vergangenheit. Mit dem Grundverständnis und dem Berufsstolz eines Ingenieurs suche ich hier die optimale Lösung für alle Beteiligten. Ich komme beruflich auch aus diesem Gebiet und bin immer wieder fasziniert, welche beeindruckenden Lösungen und Bauwerke Schweizer Ingenieurskunst immer wieder zu Stande brachte.»

Jesús Turiño: «Mir fehlt bei der Aussage, unsere Vision sein nicht realisierbar, beim heutigen Wissensstand das Visionäre, das unseren Berufsstand doch antreibt und motiviert. Lösungen für Probleme finden, um das geht es. Gerade das hat mich in meinem Ingenieursstudium so fasziniert und in der Praxis motiviert. Ein Superbeispiel dafür ist der Bau des Eisenbahntunnels durch den Gotthard. Der wäre ohne Pioniergeist der Ingenieure nie gebaut worden. Die haben damals gesagt: ‘Einen so langen Tunnel durch ein Felsmassiv bauen? Haben wir noch nie gemacht. Dann erarbeiten wir jetzt eine Lösung, wie wir es hinbekommen.»

Das gab es hier nicht?

Thomas Kieliger: «Der geplante neue Tunnel durch den Sonnenberg ist ja technisch schon faszinierend. Er unterquert die Reuss und hat dann im Berg eine ‘Überwerfung’ geplant, indem eine Tunnelröhre über die anderen geführt wird, damit die Fahrzeuge zur richtigen Ausfahrt kommen. Das ist hoch technisch und anspruchsvoll, wenn man weiss, dass das unter Verkehr gebaut werden muss! Umso mehr erstaunt es dann, dass der Abschnitt vom Ende des Grosshof-Brücken bis zum Schlund-Tunnel offen in den Quartieren geführt werden soll. Die Begründung, das gehöre halt nicht mehr zum Projektperimeter, ist da schon etwas erstaunlich.»

Jesús Turiño: «Und um genau diesen Abschnitt geht es uns. Man rechnet bis 2030 mit einer Verdoppelung des Verkehrs im Vergleich zu 1996 – nicht zuletzt eben auch, weil der Bypass ein Nadelöhr beseitigt. Dann gehört alleine schon die zusätzliche Lärm- und Abgasbelastung eines besiedelten Quartiers sehr wohl zum Projekt.»

Beim Bypass sei die Lüftung das Problem, wenn man die Autobahn bis zum Tunnel Schlund durchgehend einhause….

Thomas Kieliger: «Hier geht es um ein Jahrhundertprojekt. Wenn jetzt die Einhausung nicht gebaut werden kann, ist die Gefahr sehr gross, dass der heute offene Abschnitt auch die nächsten 100 Jahre offen bleibt. Aus meiner langjährigen Erfahrung ist mir bekannt, dass Tunnellüftungen anspruchsvolle Elemente der Tunnelsicherheit sind. Aber auch hier bin der Meinung, dass Ingenieure eine adäquate Lösung für diese Jahrhundert-Vision finden werden. Bei der Einhausung in Schwamendingen führten wir damals ähnliche Diskussionen. Das Projekt in Schwamendingen wird gebaut, man hat dort eine Lösung für diese Lüftungsfrage gefunden.»

Ist Kriens damit nicht zu spät?

Jesús Turiño: «Die Forderung der Stadt Kriens, mit dem Bypass-Bau diese Stadtreparatur durchzuführen, ist nicht neu. Aber sie wird jetzt greifbar, weil mittlerweile in Bildern veranschaulicht wird, was die Stadt Kriens mit der formell eingereichten juristischen Einsprache fordert. Und sicherlich auch, weil sich auch in der Bevölkerung auf sehr breiter Front Unterstützung für diese Idee formiert.»

Thomas Kieliger: «Das ist ein normaler Ablauf. Autobahnprojekte solcher Grössenordnung werden nicht ohne Einbezug der Bevölkerung geplant. Mit dem Plangenehmigungsverfahren ist dieser Einbezug im Rahmen unserer Gesetze aber nicht mehr direkt möglich. Diese Rolle übernimmt die Stadt Kriens mit ihrer Einsprache und ihrem Einsatz für eine mehrheitsfähige Lösung.»

Wie geht es jetzt weiter?

Jesús Turiño: «Die Stadt Kriens steht weiter ein für einen Bypass mit Einhausung. Diese Einhausung muss ebenfalls ernsthaft geprüft werden. Im Rahmen einer ergebnisoffenen Testplanung soll auch diese Lösung vertieft abgeklärt werden. Das ist nicht nur fachlich und sachlich richtig, sondern auch politisch wichtig.»

Jesús Turiño (links) und Thomas Kieliger

Die Antworten gaben die zwei Ingenieure im Kernteam, das für die Stadt Kriens das Dossier Bypass bearbeitet:

  • Jesús Turiño, Abteilungsleiter Stadtentwicklung, Abteilungsleiter Stadtentwicklung, Erstausbildung als Bauingenieur HTL und Berufsstart beim damaligen Kantonalen Tiefbauamt Luzern.
  • Thomas Kieliger, Bauingenieur ETH und ehemaliger Stadtingenieur Bern und Kantonsingenieur Zürich

Die «Chance Bypass» ideell in der schnell wachsenden Volksbewegung unterstützen? Hier geht es zur «Chance-Bypass»-Website

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